Instagram - wie sexy oder nackt ist okay?

Instagram ist schon ein eigener Kosmos. versuche ich Freunden aus Göttingen, die fast alle kein Social Media nutzen, diese Welt zu erklären, zucken sie meist desinteressiert mit den Schultern. Eine Grundregel der Social Media Nutzung lautet aber auch: "Nutze Social Media und eine Plattform nur, wenn du davon vollkommen überzeugt bist und dein Herzblut reinstecken kannst."
Und da ist es gut, dass wenig überzeugtere User eben nicht einmal den Weg auf diese Plattform finden oder es maximal kurz ausprobieren.



Auch, wenn man kurze Texte verfassen kann und mir persönliche meine Bildunterschriften extrem wichtig sind, sollten wir uns nichts vormachen.


Instagram spricht mit der Sprache der Bilder

Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als 1000 Worte. Und auf Instagram gibt es sehr viel Bildsprache, mit der man manipulieren kann. Das kommt eigentlich aus dem Bereich Marketing. Ich bediene mich jetzt einfach mal ein paar frei verfügbarer Stockbilder, um euch die Zusammenhänge besser erklären zu können.

Photo by Filip Mroz on Unsplash
Nehmen wir als Beispiel einfach ein Bild von einem Baby. Babies sind Marketinggold, denn irgendetwas in uns bringt uns dazu, dass wir sie einfach anstarren müssen. Das ist wirklich wissenschaftlich bewiesen. Wahrscheinlich ist das so ein steinzeitlicher Trieb in uns, dass wir die Jungen beschützen wollen. Und guckt ein Baby in eine bestimmte Richtung, folgen wir dem Blick. Das ist natürlich ideal für Unternehmen, denn besonders gern in Printmedien wird mit Werbebabies gearbeitet.

Photo by Marcus Cramer on Unsplash
Ein anderer Trick ist Entsättigung und Knallfarben. Wahlweise Rot, denn Rot ist eben eine Farbe, die unsere Aufmerksamkeit erregt. Während ein richtig buntes Bild manchmal geradezu schwer anzusehen ist, können entsättigte Bilder mit einem Farbhighlight ganz angenehm auf uns wirken und unseren Blick einfangen.

Photo by Jonathan Daniels on Unsplash
Zu guter letzt der Trick mit dem Blau. Blau hat auf uns eine beruhigende Wirkung und fängt unseren Blick ein. Deswegen ist es kein Wunder, dass viele ihre Bilder sehr blaustichig und puristisch auf Instagram gestalten. So verweilt das Auge länger.

Aber warum dieser kleine Einführungskurs in Instagram Badass Strategien? Nun ja, so ist es auch mit der nackten Haut. Irgendwie ist es wie ein Unfall. Es weckt unser Interesse. Es polarisiert. Wir können nicht wegsehen.

Photo by Hanna Postova on Unsplash
Welche Frage sich für mich stellt, ist erst einmal eure Meinung.

Wie sieht ihr das mit dem Thema “sich freizügiger zeigen auf Instagram“? 

Stellt man diese Frage, geben sich viele eher liberal und sagen: "Naja, jeder wie er will." Oder "Ich entscheide für mich, dass ..." Aber ich glaube, so einfach ist die Antwort nicht. Was ich unglaublich ungerecht bei Instagram finde, ist, dass scheinbar sehr, sehr große Influencer mit Millionenreichweite Narrenfreiheit genießen und Bilder anderer kleinerer User als zu obszön gesperrt werden. Das allein ist schon ein schwieriger Konflikt, denn es beinhaltet ja eine Doppelmoral seitens des Providers.

Ich für meinen Teil denke mir auch: Was für eine Welt ist es heute, in der eben die Vorbilder dieser Zeit eine Softpornästhetik verbreiten? Ist es da nicht das natürlichste der Welt, dass andere den großen Medienstars wie den Kardashian-Clan nacheifern wollen und auch ähnlich unverhüllt Bilder von sich veröffentlichen? Die Kardashians sind schließlich ein soziales Phänomen, die eine unglaubliche Reichweite auf Instagram haben. Aber back to the roots: Wir Menschen sind gerne Voyeure und gucken in das Leben anderer Menschen. Das hat die Kardashians groß gemacht.

Aber das ist wie gesagt nur ein kleiner Teil der großen Thematik.

Sich schön fühlen

Wir alle kennen diese Tage, an denen wir uns nicht so sexy fühlen. Ich hab beispielsweise gerade eine fette Erkältung, Halsschmerzen und kriege kaum Luft, alles an Essen tut weh und ich will den ganzen Tag nur schlafen. In dieser Verfassung will ich nicht unbedingt raus und Leute treffen und erst recht kein Fotoshooting oder ähnliches machen. Und so ist es doch auch mit Instagram. Wir veröffentlichen und bestimmen, wie wir uns zeigen und was wir zeigen. Auch ohne Instagram ist es doch so. Ein Ex von mir wollte immer zeigen, wie belesen und talentiert er ist, aber keiner durfte erfahren, dass er abhängig von Onlinespielen war.

Warum also jetzt sich für Instagram nackig machen?

Bodypositivity ist aktuell ein großer Trend, das kann man nicht verleugnen und so hat man auch meist einen Vorwand dafür, sich nackig zu machen. Ich bin ich, ich muss mich nicht verstecken und zeige mich so, wie ich bin. Ohne Verkleidung. 100 Prozent ich.

Bodypositivity - ein schwieriges Thema

Aber auch diese positive Message hat ihre Kehrseite. Was bringt ein Nacktfoto, wenn es wenig mit der Realität zu tun hat und überall serumretuschiert wurde. Ich kann durchaus verstehen, dass viele von der Nacktheit auf Instagram durchaus genervt sind, denn es ist dadurch auch ein Stück weit nichts Besonderes mehr und erregt so manches Gemüt.

Außerdem kenne ich genug Leute, die eben eine verzehrte Wahrnehmung haben, sich vergleichen und für die Instagram im Grunde genommen Gift ist. Natürlich kann man verstehen, dass es so manchen unter Druck setzt, all diese Transformation Tuesday Beachbodies zu sehen, obwohl auch hier durch allein die Körperhaltung geschummelt werden kann.

Jona schmunzelt wegen dem geschummelt. Sehr irritierend. Aber er ist so das beste Beispiel für Typ mit Wahnsinnskörper hat eine krumme, schiefe Haltung und sieht deshalb auch aus wie der letzte Lauch. Würde der Jona mal gerade Haltung bewahren, sähe man ihm seine 1,83 m auch viel besser an und er würde sehr viel athletischer wirken als mit seiner krummen Hockhaltung. Ich hätte auch gerne ein Beispielsbild gebracht, aber das hat mir der Jona dann doch verboten.

Vorbildfunktion?

Das mit der Vorbildfunktion finde ich ebenso schwierig. Denn es gibt das Lager "Nacktheit ist böse für Kinder." und das Lager "Nacktheit ist natürlich. Warum sollten Menschen nicht andere Menschen nackt sehen." Ehrlich gesagt weiß ich nicht, in welches Team ich gehöre, denn ähnlich wie bei Fotos und Nacktheit sollte ja auch jeder für sich entscheiden, ob er nun FKK und Sauna macht oder nicht.

Was ich dann aber oft in der Sauna sehe - Jona und ich hatten dort eines unserer ersten Dates. 
-"Es war kein Date, wir sind einfach nur zusammen in die Sauna gegangen."
"Ich sehe das anders. Ich wollte schon keine bösen Überraschungen im Schlafzimmer erleben."
-"Du wolltest mich auschecken, aha."
"Aber ich gehe jetzt nicht auf Details, was untenrum angeht, oder, Jona?"
-"Jaaaaaa.... und ich dachte, wir mögen einfach beide Sauna und machen das einfach. Ich war da wohl ein bisschen naiv."
"Tja, ich mag ja auch Sauna, Jona. Aber man kann das ja mit einem Genitalcheck verbinden."
-"Hab ich tatsächlich nicht gemacht. Aber ich habe auch nicht daran gedacht in dem Moment."
"Naja, bei mir gibt es auch nicht so viel  zu sehen."
Aber zurück zum Thema.

In der Sauna sehe ich nur selten Menschen in unserem Alter. Entweder kommen Kindlichen mit, weil Mama und Papa wollen oder es sind diese Körperkulttypen, die oft Mädels dabei haben, die sehr schöne Körper haben, aber sich sehr verhüllt und schamvoll geben. So etwas finde ich immer schade, weil ich der Meinung bin, dass die Beziehung zu uns sehr wichtig ist. Ich meine, wir leben mit uns ein Leben lang und da öfters auch mal nackt.

Ich kenne selbst aus meiner Jugend das Gefühl, dass du gerade Sex mit deinem Freund hast und das null genießen kannst, weil du dich fragst: "Sehe ich in dieser Stellung nicht unglaublich fett aus?" Damas war ich essgestört, da hat man solche Gedanken.

-"Als wenn irgendein Junge daran denkt, wie du aussiehst, wenn er mit dir schläft. Der dich dann ja fühlen und guckt nicht auf deinen Bauch und denkt: "Der sieht jetzt aber dick aus."
Genau, Jona hat es auf den Punkt getroffen. Und so wie mit dem Sex ist es auch mit dem Nackigsein.

W....vorlage oder Likegeilheit

Das, was mich wie oft an diesem Thema stört ist die Dreistigkeit, die sich manche Menschen herausnehmen. Ich halte mich schon für ziemlich emphatisch, aber in die Köpfe von anderen Leuten hineingucken kann ich nicht. Andere auf Instagram scheinen dies hingegen zu können und unterstellen Usern, die sich nackt oder freizügig zeigen gleich das Schlimmste. 

Ganz ehrlich und das ist jetzt meine persönliche Meinung, ich kann diesen Scheiß nicht mehr hören! Und ich verstehe es auch nicht. Wahrscheinlich, weil ich in der ersten Generation Digital Natives aufgewachsen bin, wo der Router noch beim Einwählen ins Internet lustige Geräusche machte und meine Jugend komplett Smartphonefrei war. Aber schlechte Laune und Gerüchte zu verbreiten, weil jemand sich im Internet zeigt, wie er oder sie eben möchte, dann lasst ihn oder sie doch. Likes sind nur so lange die "Währung" unserer Zeit, solange wir uns von ihnen bestimmen lassen. 
Beispielsweise ist es mir nicht nur einmal, sondern mehrfach passiert, dass Menschen, die ich für Freunde oder zumindest gute Bekannte hielt, übelst hinter meinem Rücken über mich abgeblättert haben. Thema natürlich: Instagram. 
Die Bandbreite war erstaunlich: Ich pose nuttig, ich photoshoppe meine Brüste größer, damit mehr Jungs liken, ich sei eine Möchtegernbibi.
Das Tragische: Mir sagt das kaum einer ins Gesicht, nein, es wird hinter meinen Rücken über mich gelästert. Und noch tragischer: Ich gehe offen damit um, was ich mache - ja, ich habe irgendwann mal 2016 Werbung für Gewinnspiele zu Bilouprodukten als Kommentar bei Bibi gepostet und habe irgendwann in der ersten Hälfte 2017 die Follow-Unfollow-Methode probiert über ein paar Wochen, woraufhin mich einige wüst beleidigt und blockiert haben. Und genauso habe ich meiner Freundin Katharina geraten, statt Follower oder Likes zu kaufen Werbung über Instagram zu schalten, weil dies echte Reichweite generiert statt inaktive Follower, die im Grunde genommen schädlich sind in Sachen Algorithmus.
Und statt Alblästerei sollten wir eben auch mit diesen Themen offen angehen. Ich meine, natürlich ist es etwas ungalant, zu sagen: Hey, ich finde, dass du zu nackig bist. Das kann man freundlicher formulieren. Ich persönlich würde einfach fragen: Warum präsentierst du dich so freizügig im Internet.

Wir sind hier alle erwachsen

Im Zuge der Abmahnwelle der letzten Monate sind viele Accounts inzwischen privat oder eben mit Impressum versehen. Wer sich öffentlich auf Instagram präsentiert, wird sich also auch dessen bewusst sein, dass er oder sie seine oder ihre Bilder mit der ganzen Welt teilt und das jeder sich da einen Screenshot machen kann. Man sollte halt damit leben können, dass jemand in 5, 10 oder 20 Jahren nochmal auf dieses Bild zurückkommt.
Ich meine, eine 14jährige, geschweige denn eine sehr junge Schülerin käme nie auf die Idee, so etwas öffentlich zu posten. Menschen in diesem Alter ist mein persönlicher Modegeschmack ja oft schon zu viel ... Wer also sich wenig bekleidet zeigt, der weiß schon ganz genau, was er möchte und was er da tut.

Was mich hingegen nervt, ist, dass auf andere Art und Weise oft User kindisch begegnen. Beispielsweise Rachekommentare. Ich wage es tatsächlich, zu fragen, ob das Bild retuschiert ist oder sage gar, dass ich selbst ungern Neomuster trage und erhalte als Rache Kommentare von jenen Usern, dass ich fett und hässlich sei, einen schlechten Modegeschmack habe.
Erstens: Ups, zumindest bei dem Fett und hässlich wurde eine Straftat begangen. Damit wäre ich ganz vorsichtig. Wenn schon Abmahnungen wegen fehlenden Impressum kommen ...
Zweitens: Allgemein ist diese Instagramwelt eine schwierige Angelegenheit für mich. Das Bild zählt, nicht der Text. Er ist maximal zweitrangig. Und ich finde es oft schade, wenn jemand einen wundervollen oder sehr kritischen Text schreibt und dort 100x nur "du siehst toll aus" drunter steht, obwohl gerade jemand gestorben ist in der Familie des Users. Kommentare sind gleichförmig, lieblos hingesetzt und jede Form von "mir gefällt das nicht" wird gleich als Hate eingestuft. Natürlich, ich bin auch kein Freund von dieser Diskussionskultur auf YouTube oder Facebook, aber das andere Extrem ist eben auch nicht schön.
Als ich noch jugendlich war, gab es so etwas wie eine Chatiquette und bei Animexx sogar eine Anleitung für konstruktive Kritik in Kommentaren. Da hieß es in etwa: Sag zunächst etwas, was dir gefällt. Dann bringe deine Kritik hervor, pass sehr dabei auf die Wortwahl auf. Gib Verbesserungsvorschläge.
Aber wer macht sich heute noch diese Mühe?


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